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Geschichten aus dem Norden #1: Schneetreiben
05.12.2020
Der härteste Winter seit Menschengedenken hält das Land in seinem eisigen Griff.
Schroeder und Hart betraten die Taverne und schüttelten den Schnee aus ihren Mänteln. Augenblicklich schlug ihnen eine Mischung aus warmer Luft, dem tröstlichen Geruch von schalem Bier und rauem Gelächter entgegen. In der Ecke trällerte ein Barde ein lustiges Lied. Hier hatten die Stadtbewohner Schutz vor der Kälte gesucht und erzählten sich Geschichten und derbe Witze, um ihr Gemüt zu wärmen. Hart schritt durch die Menge voran und begab sich zur Theke.
"Zwei Bier," sagte Hart und schob zwei Silbermünzen über die klebrige Holzfläche. Der Wirt goss ihnen ein, woraufhin die beiden Männer sich in eine ruhigere Ecke, fernab vom Trubel der anderen Gäste, zurückzogen. Schroeder nahm einen großen Schluck von seinem Bier und erschauerte. Die Kälte des Winters steckte noch immer tief in seinen Knochen.
"Gibt es Neuigkeiten von deinem Bruder?" Hart musterte ihn mit sorgenvoller Miene.
"Nichts. Seit der Ernte habe ich nichts aus Ostaria gehört," seufzte Schroeder. "In all meinen Jahren habe ich noch nie einen solchen Winter erlebt. Niemand war darauf vorbereitet. Wenn das noch lange so geht, werden sie alle verhungern."
Ein Schatten glitt über Harts wettergegerbte Züge. "Das ist wahrscheinlich ihre geringste Sorge," murmelte er. "Es heißt, es geht etwas um im Norden. Schatten zwischen den Bäumen, eine finstere Legion, die in der eisigen Dunkelheit lauern. Eine ganze Armee."
"Eine Armee? Im Winter?" Schroeder konnte seinen Unglauben nicht verbergen, suchte in den Zügen seines Freundes jedoch vergebens nach Anzeichen, dass dieser sich einen Scherz mit ihm erlaubte.
"Leise," zischte Hart. "Wahrscheinlich ist es nichts. Ich weiß, es klingt eigenartig, aber mir ist, als habe ich so eine Geschichte schon einmal gehört." Er machte eine Pause, um seine Gedanken zu ordnen und blickte hinüber zu seinem Freund. Schroeders Unglaube verwandelte sich in Entsetzen, als ihm klar wurde, was Hart meinte. "Als ich noch ein Kind war..."
Schroeder und Hart bemerkten eine Gruppe Fremder, die neugierig zu ihnen hinüberblickten. In stummer Übereinkunft leerten sie ihre Becher und machten sich wieder auf in die beißende Kälte von Turul Város.
