Loki mag zwar in der Populärkultur als der schelmische Bruder eines gewissen Chris Hemsworth bekannt sein, aber sein wirklicher Ursprung ist weit entfernt von den Hollywood-Blockbustern oder Seiten eines Comic-Heftchens. In der nordischen Mythologie ist Loki ein gerissener Gott, der zum Pantheon der Æsir (dem Götterstamm) gehört. Er betrügt seine Götterkollegen, spielt ihnen Streiche und nimmt immer wieder gerne eine andere Gestalt an – hilft seinen Mitgöttern aber auch bei vielen Gelegenheiten.

Gehen wir Fakten und Fiktion, die sich um diesen mythologischen Gott selbst ranken, einmal näher auf den Grund.

Zum Thema Thor

Lokis Beziehung zu Thor in der nordischen Mythologie hat so gut wie nichts mit seiner Rolle als Adoptivbruder zu tun, wie sie im Marvel Cinematic Universe dargestellt wird. Obwohl Loki in der nordischen Mythologie als Gott anerkannt ist, ist seine Abstammung umstritten. Einige Geschichten berichten, dass sein Vater ein Jötunn (Riese) namens Fárbauti und seine Mutter die Göttin Laufey war. Damit war er also nicht der Adoptivsohn von Odin und Frigga, wie es Marvel uns glauben machen möchte.

In der Tat wurde Loki in den Legenden als Begleiter von Odin und Thor beschrieben, der an ihrer Seite Abenteuer erlebte und seine Intelligenz nutzte, um ihnen zu helfen (oder sie auch zu behindern). Die Hassliebe zwischen Thor und Loki ist zwar ein zentraler Punkt in der Marvel-Geschichte, in der nordischen Sage begann Thor nach einem einschneidenden Verrat jedoch, Loki auf alle Zeit zu hassen.

Ein Bild des Loki der nordischen Mythologie aus dem isländischen Manuskript "SÁM 66“, 18. Jahrhundert

Fein oder gemein?

Ob Loki "böse" ist oder nicht, ist umstritten, denn seine nordische Legende erzählt von einem sehr komplizierten Charakter. Er mag möglicherweise (dank seiner zahlreichen Verwandlungen und Streiche) nicht besonders vertrauenswürdig sein, in der nordischen Mythologie wird er jedoch nicht von Natur aus böse beschrieben. Stattdessen zeigt er sogar hin und wieder eine gutmütige Seite.

Ein Beispiel dafür ist eine Geschichte aus einem Gedicht der Edda, in der Thor erwacht und feststellt, dass sein magischer Hammer Mjölnir verschwunden ist. Loki bietet ihm daraufhin an, ihm bei der Suche zu helfen. Loki bittet Freya um ihren magischen Federumhang und fliegt damit nach Jötunheimr, um sich dort König Thrym zu stellen. Thrym hatte den Hammer tatsächlich gestohlen und ihn unter der Erde versteckt. Er wollte ihn nur dann zurückgeben, wenn er Freya zur Frau bekäme.

Als Loki den Göttern von diesem ungünstigen Angebot Thryms erzählt, schlägt Heimdall vor, Thor solle sich als Freya verkleiden, nach Jötunheimr gehen und den Hammer zurückholen. Thor ist dagegen, aber Loki überzeugt ihn, den Plan durchzuziehen. Loki verkleidet sich ebenfalls und schlüpft in die Rolle einer Magd und gemeinsam verschaffen sie sich Zugang zu Thryms Halle.

Thrym hält die verkleideten Götter in der Tat für Frauen, bis Thors "gesunder" Appetit ihn übermannt. Bei einem Festmahl verschlingt Thor so viel Fleisch und Met, wie er nur kann, was Thrym zu Fragen über das Verhalten seiner neuen Braut veranlasst, aber nicht bevor er sich zu einem Kuss hinreißen lässt. Loki entschärft die Spannung schnell, indem er eine Erklärung für Freyas Stimmungsschwankungen anführt;

"Seit acht Nächten hat Freyja keinen Schlaf gefunden,

So heiß war ihre Sehnsucht nach Jotunheim."

Letztendlich funktioniert der Plan perfekt und Thor entreißt Thrym den Hammer.

Auch wenn diese Geschichte Loki als hilfsbereit und ohne Hintergedanken darstellen mag, sollten wir seine vielen bösen Taten nicht außer Acht lassen.

Einer der berühmtesten Streiche Lokis war, als er Sifs schönes blondes Haar abschnitt. Sif war Thors Frau, bekannt für ihre wallenden Locken, und als Thor von Lokis Streich erfuhr, war sein Zorn ungebremst. Um seine eigene Haut zu retten, versprach Loki verzweifelt, Ersatzhaar für Sif zu finden. Loki reiste in die Heimat der Schwarzelfen, nach Svartalfheim, um einen Handwerker zu finden, der neues Haar für Sif herstellen sollte.

Als Loki jedoch die Schätze sah, die von den Bewohnern dieses Landes angefertigt wurden, hatte er eine hinterhältige Idee. Loki machte sich über die Zwergenbrüder Brokkr und Sindri lustig, indem er behauptete, ihre Handwerkskunst sei nicht so meisterhaft wie die anderer. Ehrgeizig ließen sich die Zwerge auf einen Wettstreit ein. Der Einsatz war simpel, aber tödlich: Sollten sie keine perfekten Kreationen erschaffen können, würde dies Lokis Kopf kosten. Nachdem sie sich in ihrer Schmiede abgemüht hatten, überreichten sie Loki drei magische Gegenstände: Gullinbursti (einen Eber mit goldener Mähne), Draupnir (einen goldenen Ring, der sich selbst repliziert) und Mjöllnir, den Hammer, der zu Thors Eigentum wurde.

Loki kehrte zu den nordischen Göttern zurück, gab Sif das Haar und verteilte die anderen Schätze unter den Æsir. Thor schenkte er den mächtigen Mjöllnir. Da Brokkr die Wette gewonnen hatte, wollte er Lokis Kopf einfordern, doch Loki war bereits geflohen.

Ein Loki-Cosplayer (Marvels Avengers-Version) auf der Stan Lee's Comikaze 2014

Schönheit oder Biest?

Loki aus dem Marvel-Universum ist gut aussehend und schlank – ganz so, wie der Loki in der nordischen Mythologie, die ihn als gut aussehend, charmant und attraktiv beschreibt. Die nordische Version von Loki unterscheidet sich von dem mit schwarzen Locken bedachten Marvel-Gotte des Unheils oft durch eine wallende rote oder gar blonde Haarpracht.

Während Lokis wahres Aussehen dank seiner Angewohnheit, sich zu verwandeln, nicht genau bestimmt werden kann, gibt es in der nordischen Mythologie zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf einen gehörnten Helm – daher dürfte dies sich als kreative Freiheit von Stan Lee, Larry Lieber und Jack Kirby verbuchen lassen!

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